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Fragen an Zeitzeugen des Bombenangriffs vom 20. Dezember 1943 auf Laubenheim

(www.mz-laubenheim.de/fri.) Die AG Historisches Laubenheim im Heimat- und Verkehrsverein Mainz-Laubenheim  (HVV) befragt in den kommenden Monaten überlebende Zeitzeugen des Bombenangriffs vom 20. Dezember 1943 auf Laubenheim.

Dazu wurde ein Fragenkatalog zusammengestellt. „Uns geht es darum, Erinnerungen an persönliche Wahrnehmungen, Empfindungen und Erlebnisse zu erfragen und zu dokumentieren“, erklärte Boris Engelbrecht, Laubenheimer Steinmetzmeister als Mitglied der historischen Arbeitsgruppe und nannte der Redaktion folgende Beispiele:

  • Sie haben Luftangriffe auf Laubenheim erlebt. Wie alt waren Sie damals?
  • Welche Verhaltensregeln bzw. Anordnungen bestimmten das Leben (z. B.: Verdunkelung)? Was bedeutete das zuhause im Alltag?
  • Wer hat Sie gewarnt? Sirene? Wo war die?
  • Haben Sie den Eindruck gehabt, dass man den Luftalarm ernst genommen hat oder ging man allgemein davon aus, dass Mainz das Ziel der Anflüge ist?
  • Gab es öffentliche Luftschutzkeller, oder gemeinschaftlich genutzte, private Rückzugsorte (z.B. Weinkeller)? Eigene Keller? Wo waren die?

Antworten auf diese und weitere Fragen werden von der historischen Arbeitsgruppe des HVV dokumentiert.

Gedenkansprache (Auszüge) von Dr. Gebhard Kurz am 1. Februar 2015 zu den Bombenangriffen auf Laubenheim

(„In Kursivschrift: nachträgliche Einfügungen“)

Wie mittlerweile durch die Nachforschungen und Veröffentlichungen von Heinz Leiwig[1] bekannt ist, waren an jenem Abend des 01.02.1945 neben Ablenkungsangriffen auf Berlin, Mannheim, Stuttgart, Hannover und Duisburg drei große Bomberverbände auf Ludwigshafen, Siegen und Mainz angesetzt. Insgesamt flogen etwa 1.200 Flugzeuge ins deutsche Reichsgebiet ein, davon 341 zum Angriff auf Mainz. Diese massiven Einflüge waren wohl der Grund, dass etwa um 19.00 Uhr Fliegeralarm ausgelöst wurde. Die frühe Alarmierung ermöglichte das rechtzeitige Aufsuchen der Schutzräume. … Da das Erdgeschoss unseres Hauses dicke Natursteinmauern und der Keller ein massives Gewölbe hatte, fühlten wir uns dort einigermaßen sicher. Andere Bewohner unseres Viertels gingen in die großen Keller des Weinguts Finck-Haffner (heute St. Urban) oder der Villa Koch. Mein Vater blieb in unserer Wohnung im 1. Stock bei meiner 2 ½-jährigen Schwester, die mit hohem Fieber im Bett lag.

Etwa ¼ Stunde nach dem Alarm hörte man das anschwellende Brummen von Flugzeugen, und bald erschienen aus Richtung Mainz die grünen „Christbäume“, die das Angriffsziel markieren sollten. Man hörte erste Detonationen, von denen man noch nicht wusste, ob es Bombeneinschläge waren oder die Schüsse der Flak auf der Laubenheimer Höhe. … Nach etwa 20 Minuten war das Bombardement schließlich zu Ende.

Die Hintere Talstraße schoss ein starker Wasserstrom hinunter; er kam aus einem großen Bombentrichter mitten auf der Wormser Straße (heute Hans-Zöller-Straße); … dort war die Hauptwasserleitung von Bodenheim nach Laubenheim getroffen worden. Die Folge war, dass es zum Löschen der durch die zahlreich abgeworfenen Brandbomben entstandenen Großbrände nicht genügend Wasser gab; zum Löschen kleinerer Brände behalf man sich mit Wasser aus den Hausbrunnen, in einem Bauernhof sogar mit Jauche. …

Die stattliche Villa Fink-Haffner war durch Volltreffer völlig zerstört, der Eingang zum Luftschutzraum war verschüttet; die Insassen mussten durch einen Notausstieg ins Freie klettern. Das Holz des Fachwerks, der Fußböden und des Mobiliars der Villa begann nach einiger Zeit zu brennen. Es entwickelte sich ein enormer Funkenflug, so dass wir mehrere Stunden lang damit beschäftigt waren, mit nassen Lappen und Tüchern das Entstehen eines Brandes auf unserem nun offenen Speicher zu verhindern.

Über der Ortsmitte leuchtete starker Feuerschein: Das Edeka-Geschäft  … gegenüber dem Marienhof stand in hellen Flammen, ebenso das riesige ehemals Umber’sche Anwesen in der heutigen Oppenheimer Straße 1 … sowie die sogenannte „Alte Schule“ am alten Spritzenhaus und deren Nachbaranwesen. [Auf dem heutigen Longchampplatz] brannte die stattliche Villa Kaumann.

Das ganze Ausmaß der Schäden zeigte sich am nächsten Tag: Überall lagen Trümmer, die Brände der Nacht loderten weiter. 589 Menschen in dem damals 2.300 Einwohner zählenden Dorf waren obdachlos, 65% der Gebäude waren zerstört oder schwer beschädigt, darunter die Katholische Kirche, bei der ein Teil des Daches durch Luftminen weggerissen war, wodurch die Rabitzdecke im gesamten Kirchenschiff heruntergestürzt war und viele der wertvollen Kirchenbänke zerschlagen hatte. Der Hochwasserdamm war mehrfach beschädigt, die Schleuse der Pumpstation zerstört, so dass Überschwemmungsgefahr bestand. Viele Menschen waren verwundet, 25 tot – 22 Laubenheimer und 3 Bürger aus Mainz. Das älteste Todesopfer war eine 83jährige Frau, die jüngsten zwei Knaben von 2 Jahren und ein zwei Wochen alter Säugling.

Die meisten Toten gab es an zwei Stellen: In der Metzgerei Zobel, Oppenheimer Straße 24, starb der Inhaber mit seiner Frau, Verwandten und Gästen, mit denen er gerade seinen Geburtstag gefeiert hatte, – insgesamt 7 Personen. In der Vorderen Talstraße 30 kam der Bauer August Schmitt mit seiner ganzen Familie um, ebenfalls 7 Personen, darunter die Schwiegertochter des Metzgermeisters Zobel, die an diesem Tag mit ihrem zwei Wochen alten Baby bei ihrer Mutter war, um dem Trubel der Geburtstagsfeier zu entgehen.

Bald stellte man sich die Frage nach dem Grund dieses schweren Angriffs auf das kleine, bedeutungslose Dorf. Man vermutete, der Angriff habe den unterirdischen V-Waffen-Produktionsstätten im Weisenauer Steinbruch und der Laubenheimer Pechfabrik gegolten, die kriegswichtiges Material herstellte. Andere meinten, die feindliche Luftaufklärung habe die Gewächshäuser der zahlreichen Laubenheimer Gärtnereien für Industriehallen gehalten. In Wirklichkeit hatte, wie Heinz Leiwig nachgewiesen hat, der Angriff der Stadt Mainz gegolten. Da aber ein stürmischer Nordwestwind wehte, standen beim Eintreffen der Bombergeschwader die Leuchtmarkierungen nicht mehr über dem eigentlichen Zielgebiet, dem Mainzer Münsterplatz und der Innenstadt, sondern im Bereich Lerchenberg, Großberg, Weisenau und Laubenheim. Die Bomben trafen daher hauptsächlich die südliche Altstadt, Weisenau und Laubenheim; die Kuppel der Mainzer Christuskirche wurde von Brandbomben getroffen und brannte 3 Tage lang wie eine Fackel. Glück im Unglück war, dass ein Großteil der Bomben ins freie Feld fiel. Im damaligen Mainzer Stadtgebiet kamen 77 Menschen ums Leben. Laubenheim und Weisenau hatten, wie so oft in ihrer Geschichte, das Schicksal der Stadt Mainz geteilt.

Für die Stadt Mainz selbst bedeutete der Fehlschlag dieses Angriffs allerdings nur einen kurzen Aufschub, denn die englische Luftwaffe holte das Versäumte am 27. Februar – übrigens mit den gleichen beteiligten Einheiten und nach dem gleichen Angriffsplan – in verheerender Weise nach. Bei diesem Angriff verbrannte der Laubenheimer Franz Binger, der Fahrer des gemeindeeigenen Totenwagens, auf dem Weisenauer Tanzplatz samt Pferd und Wagen. [Ein weiterer Laubenheimer, der Stellwerksbeamte Bauer, der in einem in der Nähe des Stellwerks am südlichen Bahnübergang des Weisenauer Güterbahnhofs am 1. Februar entstandenen Bombentrichter Deckung gesucht hatte, kam um, als genau dort wieder eine Sprengbombe einschlug.]

Für Laubenheim war der Angriff vom 1. Februar 1945 nicht der erste und einzige: Bereits am 20. Dezember 1943 bombardierten bei einem Großangriff auf Frankfurt 10 Flugzeuge als Ausweichziel Teile von Mainz; dabei fielen auch Bomben auf Laubenheim und richteten im Riedweg und in der Kirchstraße (heute Pfarrer-Goedecker-Straße) schwere Zerstörungen an; in der Katholischen Kirche stürzte die Rabitzdecke über der Empore ab und zerstörte die Orgel. 5 Menschen kamen bei diesem Angriff ums Leben.

Am 4. Dezember 1944 fielen, wohl im Zusammenhang mit einem amerikanischen Angriff auf Bahnanlagen im Raum Mainz, wiederum Bomben im Bereich Kirchstraße und Möhnstraße. Dabei wurde der Kindergarten beim Katholischen Schwesternhaus durch Volltreffer zerstört; zwei nach Dienstschluss noch anwesende NSV-Kindergärtnerinnen kamen ums Leben. …

[Beim Einmarsch der Amerikaner am 21. März 1945 kam durch deutschen Artilleriebeschuss eine Laubenheimerin um (und mehrere Amerikaner). 134 Laubenheimer sind als Soldaten an der Front gefallen oder vermisst.]

[1] Heinz Leiwig: Bomben auf Mainz. Mainz 1995; 4. Aufl. unter dem Titel „Mainz im Bombenhagel“, 2014.

Filmrolle über Bombenangriffe

Vor 75 Jahren am 20. Dezember 1943 fielen alliierte Bomben auf Mainz-Laubenheim. Viele Häuser wurden so zerstört, dass sie nicht mehr bewohnbar waren. Aus dieser Bombennacht gibt es eine Filmrolle, die vor einigen Jahren wiederentdeckt wurde…

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